Tauwetter im Arktischen Rat? - Ein Vorstoß aus Berlin fordert Kontakte mit Russland

Von Hans-Georg Münster

Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Frühling. Aber eine hochinteressante Äußerung aus Berlin lässt auf Tauwetter in den internationalen Beziehungen rund um die Arktis hoffen. Das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin fordert in einer Studie die Wiederaufnahme von wissenschaftlichen Beziehungen mit Russland in der Arktis und einen „militärischen Verhaltenskodex“ für die Region. Angesichts des Berliner Kriegsgeschreis ist das sensationell.

Das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin ist nicht irgendeine Forschungseinrichtung, sondern wird direkt vom Auswärtigen Amt finanziert. Für 2024 stehen dem Zentrum rund 3,2 Millionen Euro als „institutionelle Förderung“ im Etat des Auswärtigen Amtes von Ministerin Annalena Baerbock (Grüne) zur Verfügung. Ein Zuwendungsempfänger wie das Zentrum veröffentlicht nichts, was dem Auswärtigen Amt nicht genehm wäre. Baerbock hat ihren antirussischen Kurs bisher nicht geändert. Zuletzt kritisierte sie die Präsidentschaftswahlen als „Wahl ohne Wahl“.

Umso erstaunlicher ist, was das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien zur Arktis schreibt (1). Zwar wird auch von dem Zentrum die russische Invasion der Ukraine verurteilt und es wird Russland eine „Militarisierung und Versicherheitlichung“ der Arktis vorgeworfen. Aber andererseits wird der Abbruch der wissenschaftlichen Kontakte mit Russland durch den Westen im Arktischen Rat für falsch gehalten. Der Arktische Rat ist der Zusammenschluss aller Arktis-Anrainerstaaten. Zu den Ländern mit Beobachter-Status gehört auch Deutschland. „Der Arktische Rat, das wichtigste zwischenstaatliche Forum der Region, ist derzeit nicht in der Lage, als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik zu firmieren. Internationale Arktisforscher sind nun von über 60 Prozent ihrer Forschungsregion abgeschnitten, und der Datenaustausch mit ehemaligen russischen Partnern ist unmöglich.“

Die langfristigen Folgen könnten drastisch sein, denn die Erwärmung der Arktis sei ein wichtiger Indikator für die globale Klimaentwicklung.

Ohne den Datenaustausch wird es unmöglich sein, die weitreichenden Auswirkungen des Klimawandels zu modellieren,“ so das Zentrum. Es widerspricht damit ausdrücklich einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Bundestagsanfrage vom 27. September 2023, in der es hieß: „Wissenschaftler arbeiten daran, durch verstärkte Kooperation mit den verbliebenen Arktisanrainern und durch die Nutzung von Satellitendaten die Auswirkungen für die Klimamodellierung zu minimieren. Mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich Russland als Partner diskreditiert“, so die damalige unmissverständliche Antwort der Bundesregierung. Das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien ist sich daher natürlich bewusst, dass ein direkter Wissenschaftsaustausch nicht so ohne weiteres und schon gar nicht kurzfristig möglich ist. Daher wird empfohlen, „den Datenaustausch durch nichtstaatliche Dritte wie den Weltklimarat (IPCC) oder den Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) vermitteln zu lassen“.

Erstaunlich ist auch, dass sich das Zentrum auf militärisches Terrain wagt und eine Friedenstaube aufsteigen lässt, wo doch in Berlin ansonsten die Falken das Wort führen, zum Beispiel Carlo Masala, Professor an der Bundeswehr-Universität München. Er meint, in der Arktis existiere der kooperative Ansatz von früher nicht mehr: „Der Weg für eine Konfrontation ist geebnet, ähnlich wie in den 1960er- und 1970er-Jahren.“

Das Zentrum befürwortet dagegen einen „militärischen Verhaltenskodex für die Arktis“. Bis dahin sollten bestehende bilaterale Verträge aus der Zeit des Kalten Krieges über Krisenkommunikation und die Verhinderung militärischer Eskalation reaktiviert werden.

Zuletzt wird noch auf die Lage der indigenen Bevölkerungsgruppen in der Arktis hingewiesen. Sie sind nach Angaben des Zentrums ein besonders gefährdeter Bestandteil der arktischen Bevölkerung. „Mit der Lähmung des Arktischen Rates haben sie ihre Hauptplattform für multilaterale Mitsprache in der Region verloren“, wird beklagt. Der westliche Versuch, Russland zu isolieren, trifft also auch unschuldige Menschen in der Arktis.

Es ist Zeit, den Gesprächsfaden mit Russland wieder zu knüpfen. Vielleicht kann die Region doch eines Tages zu einer „Zone des Friedens“ werden, wie Michail Gorbatschow schon 1987 vorgeschlagen hatte.

(1) https://www.zois-berlin.de/publikationen/zois-report/new-arctic-realities-between-conflicting-interests-and-avenues-for-cooperation

Bilder: depositphotos

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