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Bon voyage, Rex Tillerson

Wir können von Glück sagen, dass wir fast nichts über die USA wissen oder über unsere Medien in Erfahrung bringen können. Die einzige Chance, eine Ahnung von dem zu bekommen, womit wir es bei diesem Land zu tun haben, besteht täglich darin, die großen amerikanischen Medien wie CNN oder Washington Post zu verfolgen oder zu lesen. Die vermitteln ein Bild davon, worum es sich wirklich handelt und das ist nicht mehr oder weniger als Krieg. Krieg zwischen unterschiedlichen und sich diametral gegenüberstehenden Konzepten über die Entwicklung eines Landes, das offenkundig vor mindestens zwei großen Fragen steht: Soll es weitere und damit ungeheure Anstrengungen geben, um die ganze Welt doch noch unter Kontrolle zu bekommen oder sind die Fähigkeiten für die bisherigen Kriegszüge so überdehnt, dass die eigenen Kräfte erst wieder instand gesetzt werden müssen? 

Willy Wimmer, Staatssekretär a.D.

Bislang musste der außerhalb der USA lebende Betrachter davon ausgehen, dass der neugewählte Präsident Trump dem zweiten Lager angehören oder gar vorstehen könnte. McCain als Nebenpräsident und Frau Clinton als trauernde Kandidatin kämpfen noch nicht einmal mehr darum, wer das erbarmungslose Kriegslager repräsentieren könnte. Man ist sich da einig. Der frisch im Amt befindliche Präsident Trump hat im Zusammenhang mit dem Angriff auf Syrien bigotte politische Perversion zum Maßstab seines Handelns erklärt, als er als Begründung für sein völkerrechtswidriges Vorgehen in und gegen Syrien, die in der Provinz Idlib getöteten Kinder - „beautiful babies“ - bei einem angeblichen Giftgas-Angriff hervorhob. Was haben denn die amerikanischen Truppen seit dem verbrecherischen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, über Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen und Somalia an nicht nur hingemordeten Hochzeits-Gesellschaften und hunderttausendfachen Mord an irakischen Kindern hinterlassen? Man kann es nicht mehr hören und muss es dennoch in der NATO erdulden, weil die Vereinigten Staaten sich ein Imperium zusammengeschustert haben, das ausgedehnt werden soll. Dieses Imperium verbreitet nur noch Angst und Schrecken und nannte sich vor einigen Jahrzehnten noch "Werte-Gemeinschaft".

Tillerson nach Moskau-Risikoabschätzung zwischen Kamikaze-Trip und Exxon-Valdez.

Man mag sich den Besuch des frisch gebackenen amerikanischen Außenministers am 11. April 2017 in Moskau, wenn dieser Besuch denn zustandekommen sollte, ohne den amerikanischen Kriegseinsatz gegen Syrien am 7. April 2017 nicht vorstellen. Vor dem Hintergrund der Abläufe bisheriger Art in Washington wäre ohne diesen ebenso rechtswidrigen wie merkwürdigen Angriff, ein Flug nach Moskau eines Mitglieds des Kabinetts Trump ein "Flug ohne Wiederkehr" gewesen. Der Rest der Welt staunt derzeit noch atemlos darüber, dass in einem Staat von der Durchschlagskraft der Vereinigten Staaten die Mitglieder der neuen Mannschaft eines Präsidenten nachrichtendienstlich aufgeklärt werden. Jeder in Washington, der jemals in seinem Leben RT eingeschaltet haben sollte, wird aller Erfahrung nach durch den Kongress-Fleischwolf gedreht werden. Tillerson, russischer Ordensträger, wäre vermutlich nach Moskau geflogen und General Flynn wäre ihm als der "Leibhaftige" erschienen. Bei dem in Washington herrschenden Klima wäre vermutlich eine Wohngemeinschaft zwischen Tillerson und Edward Snowden der einzige Ausweg gewesen, um überleben zu können. Ein bis dahin unbekannter Flugplatz in Syrien hat alles verändert. Da spielt es fast keine Rolle mehr, ob und mit wem neben der Russischen Föderation dieser Angriff gegen Syrien besprochen worden sein sollte. Die 59 Tomahawk Marschflugkörper, von denen vermutlich Assads Luftabwehr gut 50 Prozent vom Himmel geholt haben dürfte, hatten jedenfalls nicht die Ausfallrate wie bei vergleichbaren russischen Einsätzen. Dort haben wir eine Ausfallrate von 10 Prozent. Herr Tillerson wird noch nicht in Moskau gelandet sein, wenn russisches Militär seinem Präsidenten seine Bewertung des amerikanischen Einsatzes vorgelegt haben dürfte. Dazu zählt gewiss die Dislozierung der beiden amerikanischen Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer, von denen aus wochenlang der Einsatz der Marschflugkörper gegen Syrien vorbereitet worden sein soll. Von kundigen Offizieren wird darauf verwiesen, welche Mühe und Zeit benötigt wird, um 59 Marschflugkörper auf ein Ziel zu programmieren. Da die russische Seite aus einer Vielzahl von Gründen zu diesen Vorgängen mehr weiss, als die deutsche Bundeskanzlerin in Ergebenheitsadressen unterbringen kann, wird man sich in Moskau einen Reim aus den zeitlichen Abläufen: Dislozierung der beiden Kriegsschiffe, angeblicher Giftgaseinsatz, Tagung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, militärische Optionen für Präsident Trump und dem Einsatz selbst gemacht haben. Das öffentliche Erscheinungsbild lässt jedenfalls Schlüsse zu. Hinzu kommt die Frage, welche Rolle London und Paris gespielt haben, deren verhängnisvoller Einsatz gegen Syrien vor seinem absoluten Desaster steht. Da macht die Absage des britischen Außenministers, Herrn Johnson, für seinen Moskau-Besuch fast Sinn. Vor allem deshalb, weil wegen des russischen Syrien-Einsatzes eine weltpolitisch zentraleFrage gestellt ist:

Wer - in Gottes Namen - entscheidet auf diesem Globus über Krieg und Frieden?

In diesem Teil der Welt wurde vor nicht allzu langer Zeit diese Frage schon einmal sichtbar entschieden. Auch, wenn dabei bedacht werden muss, dass diese Frage nur noch am Rande etwas mit der Charta der Vereinten Nationen zu tun hat. Aber Israel hat in der Iran-Frage schon gesehen, wo "Bartel den Most" herholt, wenn man sich in dieser zentralen Frage einer derart saloppen Sprache bedienen darf. Jetzt trifft es allerdings die Vereinigten Staaten selbst. Syrien hat seit sechs Jahren leidvoll erfahren müssen, was es mit der amerikanischen Fähigkeit auf sich hat, "war on demand," ohne Rücksicht auf alles, was den Menschen wertvoll ist, loszutreten. Bis zu Präsident Trump war gewiss, dass sich die Vereinigten Staaten schon als „außergewöhnliche Nation" betrachten würden, die sich das Recht vorbehält, andere nach Gusto mit Krieg zu überziehen. Die Entscheidung der Russischen Föderation hat weniger mit der Entscheidung zum Krieg, als der Möglichkeit Frieden herbeiführen zu können, zu tun. Vier Jahre Krieg gegen Syrien durch die USA und ihre Hintersassen hatten jede Hoffnung auf Frieden zerstört. Erst das russische Eintreten an der Seite des syrischen Präsidenten Assad hat den Weg zum Frieden ermöglicht und das ist die strategische Herausforderung erster Güte für Washington. Es macht schon nachdenklich, unter welchen Umständen Herr Rex Tillerson am Dienstag in Moskau landen dürfte. Der Frieden in Syrien ist weit davon entfernt, in trockenen Tüchern zu sein. Moskaus Engagement und Fähigkeiten sind in der Friedensfrage dennoch eine nicht zu überbietende Herausforderung für Washington. Nicht nur, dass in Syrien der Frieden droht. Er droht, durch Moskau hergestellt zu werden, so wie das Ende des Kalten Krieges auch.

Was soll die Welt bestimmen, wenn es um die Beziehungen zwischen Staaten geht?

Gerade vor dem Hintergrund der inneramerikanischen Auseinandersetzungen liegen die beiden Konzepte auf der Hand.Europa spielt dabei eine Rolle, die durchaus ausbaufähig genannt werden kann. Was soll man sich in Washington und Moskau denken, wenn unter Führung von Frau Dr. Merkel der neue amerikanische Präsident Trump nur Zustimmung erfährt, wenn er Krieg führt, ansonsten aber mit einer "politischen Schnute" rechnen muss? Es war nicht alleine Frau Madeleine Albright, die von der exzeptionellen Rolle der Vereinigten Staaten auf dem Globus sprach. Selbstredend war damit verbunden, sich in die inneren Angelegenheiten eines jeden Staates einzumischen und jedem anderen Staat seinen Willen aufzuzwingen. Notfalls durch Nicht-Regierungsorganisationen, die auch mal aus dem Pentagon oder im Verbund mit Herrn Soros finanziert werden dürfen. Wenn nichts mehr hilft, stehen amerikanische Anwaltskanzleien in Berlin bereit, die Arbeit deutscher Ministerien zu erledigen. Moskau macht keinen Hehl daraus, dass es die Welt anders sieht. Eigentlich ist die Moskauer Haltung für jeden erkennbar zweigeteilt: Herr im eigenen Haus und Beziehungen zu den anderen Staaten nach den Regeln des internationalen Rechts, vornehmlich der Charta der Vereinten Nationen. Solange der neue amerikanische Präsident Trump sich nicht des Umstandes erwehren mußte, vom militärisch-industriellen Komplex eingemauert zu werden, ließ er sich ähnlich vernehmen. Da dominierte der Neben-Präsident McCain aber noch nicht. In Berlin müssten die Alarmglocken schrillen. Gibt es doch auch in der Europäischen Union diese Vorstellungen des klassischen Souveräns als Kernelement der Gesellschaft und des Staates. Auch hier setzt Berlin auf das alte Washington. Das bringt uns nicht weiter,gedeihliche Beziehungen zwischen Washington und Moskau schon.

Bon voyage, Rex Tillerson.

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