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Cui Bono?

Jan Tscherny, Autor, Politologe

Die ukrainische Website „Мiротворець“ (Friedensstifter) veröffentlichte eine Liste mit etwa 4.000 Namen von Journalisten, die zu ukrainischen Staatsfeinden erklärt wurden. Auf wen trifft das nach Meinung des „Мiротворець“ zu? Ganz einfach - das sind alle Journalisten, Autoren, Experten, Politologen, Soziologen, die im Laufe des herrschenden Bürgerkriegs offiziell die Donbas-Region besucht haben. Formell gilt die Akkreditierung durch die Staatsorgane der selbsternannten Republiken DNR und LNR als Beweis. 

Neben dem Namen finden sich noch andere Informationen, wie die Adresse, die Telefonnummern der „Verräter“. 

Es ist unmöglich sich so etwas in Deutschland vorzustellen, wo alle persönlichen Daten per Gesetz geschützt werden. Es ist auch eher unwahrscheinlich, dass ein anderes EU-Land sich eine solche Verletzung der Menschenrechte erlauben würde. Aber in einem Land das für sich einen Platz in der EU beansprucht, ist es gerade Realität geworden. Die privaten Informationen über die Journalisten könnten mit Leichtigkeit in die Hände von Radikalen geraten, Militanten Gruppen, auch einfachen Kriminellen, die nur auf eine Gelegenheit warten, den Journalisten eins auszuwischen. 

Nach einem ganzen Sturm der Empörung, darunter auch von der OSZE, haben die Betreiber die Seite erstmal offline geschaltet, sie lässt sich jedoch ohne weiteres aus dem Cache öffnen. Der „Friedensstifter“ hat mit seiner Aktion den ungeschriebenen Ethikkodex verletzt, der die Persönlichkeitsrechte der Journalisten schützt und stellte eine Liste derer zusammen, die von nun an Repressalien befürchten müssen. Auch durchaus physischer Natur, wie es auch vor einem Jahr Oles Busyna widerfahren ist - er wurde mitten auf der Strasse erschossen, nachdem seine persönlichen Daten auf der gleichen Website veröffentlicht wurden. 

Auf dem Logo der Website prangt „pro bono publico“ (Zum Wohle der Gesellschaft). Fraglich, ob der lateinische Ausspruch „Cui bono?“ (Wem nützt es?) nicht doch treffender wäre.

 

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