Wie Deutschland die Ukraine im Stich lässt und nach der amerikanischen Pfeife tanzt

Von Hans-Georg Münster

Es gibt ein altes deutsches Sprichwort, das auf das Verhältnis der Bundesrepublik zur Ukraine passt: Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr. Denn aus Berlin hat Kiew nicht viel zu erwarten: Bestenfalls warme Worte, und auch an denen mangelt es inzwischen.

Der ukrainische Präsident Selinskyj hat ein Talent zu großen Reden. In einer Videoansprache vor dem Deutschen Bundestag sprach er von einer neuen Mauer durch Europa und nahm damit Bezug auf die Berliner Mauer, die Deutschland jahrzehntelang geteilt hatte. Mit jeder Bombe, die auf den Boden der Ukraine falle und mit jeder Entscheidung, die nicht getroffen werde, werde diese Mauer stärker. Er sparte auch nicht mit Vorwürfen gegen die Bundesregierung, die zu lange an der Ostseepipeline Nord Stream 2 festgehalten habe und zu lange gezögert habe, Waffen an die Ukraine zu liefern. Bundestagsvizepräsidentin Karin Göring-Eckardt (Grüne) hatte Selenskyj noch die deutsche Solidarität zugesichert und wörtlich erklärt: „Auch Deutschland ist an ihrer Seite.“ Aber Kanzler Olaf Scholz (SPD), auf den es angekommen wäre, zog es nach der Rede des ukrainischen Präsidenten vor, zu schweigen.

Sechs lange Tage brauchte Scholz, bis er am 23. März 2022 im Bundestag eine Antwort gab. Zwar versprach er: „Die Ukraine kann sich auf unsere Hilfe verlassen.“ Die Einschränkungen, die Scholz nachschob, bedeuten aber praktisch das Gegenteil. Weder sollen NATO-Friedenstruppen in die Ukraine geschickt werden, noch soll Selenskyjs Forderung nach einer Flugverbotszone erfüllt werden. Auch an ein Energieembargo gegen Russland wird nicht gedacht. Deutschland will nur von russischen Energieimporten unabhängiger werden und setzt auf Importe aus Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck wie ein Bittsteller gegenüber den Machthabern auftrat. Von Kritik, dass diese Länder keinen demokratischen Maßstäben standhalten, die Einhaltung der Menschenrechte dort kein Thema ist und eines dieser Länder gerade Krieg führt wie Russland (Abu Dhabi gegen den Jemen) zeigte sich Habeck unbeeindruckt. Der hypermoralische grüne Überflieger Habeck, von der deutschen Presse vergöttert wie einst Obama, ist längst als Bettvorleger gelandet. 

Und was Scholz als „Zeitenwende“ ausgerufen hatte, nämlich die Lieferung von Waffen an die Ukraine und die Aufstockung des Verteidigungsetats um 100 Milliarden Euro, sieht bei Lichte betrachtet schon ganz anders aus. Die 2700 versprochenen Flugabwehrraketen aus Beständen der ehemaligen DDR, die Deutschland an die Ukraine zu liefern versprochen hat, sind überwiegend Schrott und nicht mehr zu gebrauchen. Auch die Zustimmung Deutschlands zur Weitergabe von neun 122-mm- Haubitzen mit bis zu 540 Schuss Munition von Estland an die Ukraine betrifft altes Material der Nationalen Volksarmee der DDR, das inzwischen rund 50 Jahre alt sein dürfte und allenfalls Symbolwert hat – wie mittelalterliche Kanonen auf einer alten Burgmauer.

Hinter den Kulissen scheint aber bereits durch, wer wirklich der Gewinner in diesem Konflikt ist: die Vereinigten Staaten von Amerika. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland ist schlechter als in den kältesten Zeiten des kalten Krieges. Und die um 100 Milliarden Euro aufgestockten Rüstungsausgaben dürften größtenteils der amerikanischen Rüstungswirtschaft zugutekommen. So will Berlin 35 Tarnkappenbomber des Typs F-35 von Lockheed Martin beschaffen, die bereits einen größeren Teil der Summe verschlingen dürften. Zudem bleibt Deutschland damit fest in die atomare Teilhabe der NATO eingebunden. Denn die F35 sind zertifiziert, Atombomben zu tragen. Europäische Flugzeuge wie der Eurofighter haben diese Zertifizierung nicht. 

Und mit dem Verzicht auf Nord Stream 2 erfüllt Berlin eine alte amerikanische Forderung. Amerikanische Unternehmen reiben sich bereits die Hände. Flüssiggas aus den USA könnte nach Europa exportiert werden und dort Marktanteile gewinnen. 

Landespolitiker in Mecklenburg-Vorpommern führen inzwischen eine Posse ohnegleichen wegen einer vom russischen Gaskonzern Gazprom mitfinanzierten Klimastiftung auf. Die Stiftung, die ursprünglich die Fertigstellung von Nord Stream 2 mit betreiben sollte und auch Umweltschutzaufgaben hat, hatte von Gazprom 20 Millionen Euro erhalten. Landespolitiker mit der Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) an der Spitze versuchen nun, die Stiftung zwangsweise aufzulösen, um an das Geld von Gazprom zu kommen und es für eigene Zwecke zu verwenden. Ein klarer Fall von rechtswidriger Aneignung. 

Die deutsche Bevölkerung wird mit Propagandabildern und -texten über das Leid in der Ukraine und die Brutalität russischer Truppen von morgens bis abends überhäuft. Die politische Klasse in Berlin zeigt dagegen keinerlei Empathie. Trotz Krieg, Leid, Tod und Zerstörung soll Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in vier Wochen den „Bundespresseball“ im vornehmen Hotel Adlon eröffnen. Der Ball wurde von den Veranstaltern kurzerhand zu einer „Solidaritätsveranstaltung“ für die Ukraine umdeklariert. Ein paar Künstler aus der Ukraine sollen Feigenblatt spielen, damit man in Berlin ungehindert tanzen, Austern schlürfen und Champagner trinken kann. Es mag eine Petitesse sein, aber sie zeigt, wie Berlin gegenüber der Ukraine wirklich denkt. 

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