Von Willy Wimmer
In der Hoch-Zeit des Kalten Krieges war ein Besuch der Boing-Werkshallen in Seattle, in denen die amerikanischen cruise missiles gefertigt wurden, höchst aufschlußreich. Die Flugkörper, deren Einsatz in größerer Zahl die Welt nicht überlebt haben würde, stammten mit ihrem Rohstoff „Titan“ vollständig aus der damaligen Sowjetunion. Für einen amerikanischen Bündnispartner war dies eine Erkenntnis der besonderen Art. Die Dinge scheinen heute nicht anders zu liegen. Dem Vernehmen nach sind die Anlagen für die amerikanische Versorgung mit nuklearem Material im wesentlichen im Eigentum russischer Unternehmen. Wenn dies als gegeben unterstellt wird, dürfte das auf Modernisierung angelegte amerikanische Nuklearwaffenpotential eigentlich ohne die technologische Grundversorgung seitens russischer Unternehmen nicht möglich sein. Wenn man die Geschäftsfähigkeit beider Staaten für den Kernbereich der beiderseitigen Vernichtungsfähigkeit nach dem Modell der cruise missiles und der Nuklearwaffen als derart leistungsfähig bewertet, müßten ganz andere Formen des „Miteinanderumgehens“ möglich sein, als das heute offenkundig der Fall ist? Für Deutschland ergibt sich daraus eine gewisse strategische Blindheit, für andere Staaten natürlich auch. Wir kennen alle den Status der Vetomächte des UN-Sicherheitsrates.
Die eigentliche Kooperation dieser Mächte bleibt den anderen Staaten verborgen. So auch bei Erdöl und Erdgas, aber vor allem bei den Mitgliedern des Nuklearclubs. Außerhalb dieser Abstimmung erfährt niemand, ob die Signale in diesen Runden auf Kooperation oder globale Konfrontation gestellt sind.Die Dödel dieser Welt können sich mit dem politisch-militärischen Fall-out beschäftigen.
Das fängt schon bei unserer Zusammenarbeit mit Frankreich an. Die letzte Stufe der höchst erfolgreichen ArianeRakete durfte von deutschen Unternehmen nicht gebaut werden, wegen der Bedeutung dieser Stufe für die Transportfähigkeit nuklearer Sprengköpfe. Bis heute tut man gut daran, die französische nukleare Einsatzplanung nicht zu hinterfragen, weil das ernsthafte Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen im ernsthaften Bereich haben könnte. Francois Mitterand hat schon Helmut Kohl eindeutig beschieden. Sich in diesen Fragen auf alleine amerikanische Nuklearwaffen auf deutschem Territorium zu konzentrieren, greift zu kurz. Das gilt auch für die britische nukleare Komponente, unabhängig davon, ob in Zukunft ein unabhängiges Schottland britische Nuklear-U-Boote in seinen Häfen ankern läßt. Rolf Mützenich, SPD-Fraktions-Vorsitzender im Bundestag, hat zu Recht die Persönlichkeit des amerikanischen Präsidenten Trump im nuklearen Kontext angesprochen. Wenn man neben den niedergelegten Doktrinen wissen will, wie die USA praktisch und im Ernstfall vorzugehen bereit sind, sollte man die Erkenntnisse der letzten Wintex/Cimex Übung 1989 offenlegen und heutige Konsequenzen daraus ziehen. Gespräche im Umfeld der damaligen Übung haben deutlich gemacht, daß für amerikanische Nuklearwaffen auf deutschem Territorium durchaus andere Einsatzoptionen als die stets angegebenen möglich zu sein scheinen. Die in der letzten Nato-Übung im Kalten Krieg durchgespielten Szenarien und die heutigen Einsatzdoktrinen für Nuklearwaffen lassen ernsthaft daran zweifeln, daß der Einsatz auch nur im Gedankenbereich für europäische Staaten mehr ist als die Offerte zum Selbstmord.
Wenn unter diesen Umständen jetzt Überlegungen angestellt werden, alte Tornados auszumustern und dafür teilweise F-18 zu beschaffen, sind die Auswirkungen evident. Sie treffen keine feindlichen Ziele sondern die von Franz-Josef Strauß und anderen aufgebaute europäische Flugzeugindustrie. Die Zusammenhänge sind augenfällig. Es könnte allerdings bei zu beschaffenden Flugzeugen Sinn machen, unabhängig von den nuklearen Fragen auf Partnerschaftssuche zu gehen. Dabei bietet sich die russische SU-57 alleine schon deshalb an, weil wir als Folge der deutschen Wiedervereinigung beste Erfahrungen mit der Mig-29 machen konnten und die Konstruktionsmerkmale russischer Flugzeuge nach dem Urteil von Kennern immer noch den gemeinsamen russisch-deutschen Konstruktionsmerkmalen entspricht. Wer zusammen solche Flugzeuge baut, geht vernünftig miteinander um, sollte man meinen. Das war letztlich in Seattle mit den cruise missiles nicht anders.
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