Und wahrscheinlich wäre dann die ukrainische Bevölkerungsmehrheit auch bereit, sich der Meinung ukrainischer Antisemiten und Nationalisten anzuschließen. Das bedeutet, dass sich die Judenfeindlichkeit bei diesem Szenario erheblich verstärken würde. D

Ukraine - wohin geht es?

Ukraine - wohin geht es?

Von Jan Tscherny

Die heutige Ukraine ist ein junger Staat, hat aber eine eigene Geschichte. Auf dem Boden des Landes siedelten sich viele Völker und Religionsgemeinschaften an, darunter auch Juden. Während der Besatzung durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg, kam es hier, ebenso wie in anderen Teilen Osteuropas, zu Massenmorden an den Juden. Traurige Berühmtheit erlangte das Massaker von Babi Jar im September 1941. Dabei wurden große Teile der jüdischen Bevölkerung Kiews in eine Schlucht getrieben und erschossen, Zehntausende fanden den Tod.

Während der Besatzungszeit konnten sich die Deutschen auf radikale Rechtsnationalisten in der ukrainischen Bevölkerung stützen. Es kam nämlich zu einer Zusammenarbeit zwischen den Gruppierungen wie der OUN und UPA (die sogenannte Ukrainische Befreiungsarmee) mit der deutschen Besatzungsmacht. Die Gräueltaten der Waffen-SS-Division „Galizien“ oder „Nachtigall“ sind sehr gut bekannt. Dabei waren diese Nationalisten an den Massenmorden beteiligt, die an den Juden begangen wurden. Sie wurden auch zur Bewachung von Konzentrationslagern eingesetzt. 

„Im Zweiten Weltkrieg beteiligten sich lokale ukrainische Nazi-Kollaborateure an dem Holocaust und führten auch eigenständig antisemitische Pogrome durch, die mehrere Tausend Juden das Leben kosteten. Die jüdische Vorkriegsbevölkerung von 870.000 wurde auf 17.000 dezimiert“.

(https://deutsch.rt.com/europa/64345-israel-bestatigt-ukraine-ist-hort/)

Nach 1945 wurden diese Fakten gerne verschwiegen, weil die geflohenen ukrainischen Nationalisten im Westen als willkommene Verbündete gegen die Sowjetunion betrachtet wurden. 

Durch den Zerfall der Sowjetunion wurde die bisherige Sowjetrepublik 1991 ein unabhängiger Staat. Ukrainische Sezessionsbewegungen hatten nun ihr Ziel erreicht und konnten sich frei entfalten. Das traf leider auch auf die radikalsten Vertreter unter ihnen zu. Die Ideologie dieser rechtsnationalistischen und nazistischen Parteien und Gruppen ist nach wie vor durch einen starken Antisemitismus gekennzeichnet. Und das, obwohl die jüdische Bevölkerung durch den Holocaust und die Auswanderung nach Israel heute nur noch eine sehr kleine Minderheit im Land darstellt. 

In der öffentlichen Wahrnehmung des ukrainischen Staates wird das in Zusammenhang mit dem ukrainischen Nationalismus nicht als großes Problem wahrgenommen. Im Gegenteil die „Helden“ der ukrainischen Nationalbewegung im Zweiten Weltkrieg, zum Beispiel Stepan Bandera, werden geehrt und heroisiert. Nach dem Euro-Majdan 2013/2014 hat sich der Antisemitismus im Land verstärkt, offensichtlich, weil die nationalistischen Kräfte in der Ukraine durch die gesamten Ereignisse mehr Zulauf bekommen haben und xenophobe Stimmungen durch die politische und wirtschaftliche Instabilität ganz allgemein verstärkt wurden. 

Im April 2019 gewann der durch verschiedene Fernsehsendungen bekannte Komiker Wolodymyr Selensky mit überwältigender Mehrheit die Präsidentenwahl gegen den bisherigen Amtsinhaber Petro Poroschenko. Er stammt aus einer jüdisch-ukrainischen Familie. Populär wurde er bei seinen Landsleuten vor allem dadurch, dass er in satirischer Weise offen die größten Probleme des Landes ansprach, zum Beispiel die Korruption. Selensky hat nun theoretisch die Möglichkeit, den Antisemitismus im Lande zu entschärfen, wofür auf den ersten Blick eine gute Grundlage besteht. Immerhin hat ihn die ukrainische Bevölkerung trotz seiner jüdischen Herkunft mehrheitlich zum Präsidenten gewählt. Es ist allerdings zu bedenken, dass eine einzelne Person nicht über Nacht die grundlegenden Rahmenbedingungen verändern kann. 

„Es ist nicht so, dass der Holocaust geleugnet würde. Aber um die neue ukrainische Identität von der russisch-sowjetischen abzugrenzen, hat man jene radikalen Nationalisten heroisiert, die einst in der Westukraine gegen die Rote Armee kämpften. Dass viele von ihnen am Holocaust beteiligt waren, den die Deutschen auf ukrainischem Boden vollzogen, wird dabei unterschlagen“, so der Spiegel.

(https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-was-selenskyjs-sieg-ueber-antisemitismus-in-der-ukraine-aussagt-a-1264691.html)

Selensky steht vor fast unlösbaren Herkules-Aufgaben, wenn er den Lebensstandard seiner Landsleute und den Status seines Landes verbessern will. Scheitert er bei dieser Aufgabe, dann hätten die radikalen Nationalisten in der Ukraine einen jüdischen Sündenbock, den sie für alles Schlechte im Land verantwortlich machen könnten. Und wahrscheinlich wäre dann die ukrainische Bevölkerungsmehrheit auch bereit, sich der Meinung ukrainischer Antisemiten und Nationalisten anzuschließen. Das bedeutet, dass sich die Judenfeindlichkeit bei diesem Szenario erheblich verstärken würde. Die jüdische Minderheit des Landes würde wahrscheinlich erheblich darunter leiden, wenn Selenskys Präsidententätigkeit in Zukunft negativ beurteilt und mit seiner Herkunft in Zusammenhang gebracht würde. 

„Die ukrainische Parteienpolitik und Wählerwanderung ist für ihre Unberechenbarkeit berüchtigt“, resümiert Focus in einem Artikel über den politischen „Feinheiten“ in der Ukraine.

(https://www.focus.de/politik/experten/umland/gastbeitrag-von-andreas-umland-welche-rolle-die-extreme-rechte-bei-den-wahlen-in-der-ukraine-spielt_id_10575414.html)

Tags: Selensky, Ukraine, Antisemitismus, World Economy

Quellen:

https://www.focus.de/politik/experten/umland/gastbeitrag-von-andreas-umland-welche-rolle-die-extreme-rechte-bei-den-wahlen-in-der-ukraine-spielt_id_10575414.html

https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-was-selenskyjs-sieg-ueber-antisemitismus-in-der-ukraine-aussagt-a-1264691.html

https://deutsch.rt.com/europa/64345-israel-bestatigt-ukraine-ist-hort/

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